Heute warten wir bis 8.00 Uhr, bis die Pension das Frühstück serviert, denn es soll ja ein kurzer Wandertag werden, fehlen uns doch nur noch 20 km bis Santiago.
An Gemeindehaus und Sportanlage vorbei erreichen wir einen Eukalyptuswald. Die langen Rindenstreifen der hohen schlanken Bäume hängen von den Aesten und sehen im leichten Dunst gespenstisch aus. Ich finde ein niedrig hängendes junges Zweiglein und zerreibe ein Blatt zwischen den Fingern, denn es wundert mich schon, weshalb ich den Eukalyptusgeruch nicht wahrnehme. Das zerriebene Blatt ergibt eine klebrige Flüssigkeit, die erst nach Stunden ganz leicht den Duft verströmt, den ich eigentlich suche. Da sie besonders schnellwüchsig seien, wurden und werden immer noch die hier nicht heimischen Eukalyptusbäume wegen ihres Holzes gepflanzt. Gegen den Horizont kontrastieren ihre hohen Wipfel mit den breiten und viel niedrigeren Eichen und Edelkastanienbäume.
Das Hinauf und Hinunter hat auch am letzten Tag des Camino noch kein Ende. Für zwei kleine Bäche steigen wir vom Hügel hinab, um anschliessend wieder in die Höhe zu gelangen. Inmitten einer neuangelegten Eukalyptusplantage ertönen Startgeräusche eines Flugzeugs und wirklich, über unsere Köpfe hinweg wird vom Flugplatz Lavacolla aus gestartet. Die Zivilisation hat uns also wieder fest im Griff.
Die Autobahn zum Flughafen unterqueren wir bequem und in einer Wegbiegung erblicken wir direkt vor uns die Pistenbefeuerung. Doch dann wird es wieder ruhig. Der kaum befahrenen Strasse entlang erklimmen wir den Monte do Gozo, wo ein Pilgerdenkmal steht und von wo aus wir die beiden Türme der Kathedrale von Santiago sehen sollten. Wir sehen jedoch nur die Türme der Projektoren eines Sportstadions und ein paar Hochhäuser aus dem allgemeinen Häusergewirr herausragen.
Meinem neuen Hobby frönend, nähere ich mich etwas einem eisernen Gartentor, um einen schönen Hórreo von einem besseren Winkel aus aufnehmen zu können. Da wirft sich der grosse Wachhund wild bellend gegen das Tor. Er jagt mir einen Schreck ein, doch das Tor hält dem wuchtigen Aufprall stand.
Nach der Unter- und Ueberquerung von zwei Autobahnen sind wir auf der Einfallstrasse nach Santiago. Offensichtlich wissen hier alle Leute, wo der Camino durchgeht, nur wir nicht. Plötzlich sind keine Pfeile mehr vorhanden, und unser Stadtplan ist nicht detailliert genug. Doch Rettung ist in Sicht, denken wir, denn hier ist ja die Tourismusinformation für ankommende Pilger. Doch im Fenster steht: Geschlossen bis Juli 2008.
Santiago muss auch auf mindestens sieben Hügeln gebaut worden sein, denn immer noch lösen sich Täler und Hügel ab, bis wir bei der Kathedrale ankommen. Wir beschliessen, zuerst das Administrative zu erledigen und eilen zum Pilgerbüro, wo wir nach kurzer Wartezeit die Compostela, die Bescheinigung unserer Pilgerfahrt, in Empfang nehmen können. Beim Verlassen des Büros stellen wir fest, dass die Schlange der Wartenden sich verzehnfacht hat. Wir organisieren ein Hotel, das uns empfohlen wird und können gleich ins Hostal Mapoula innerhalb der Altstadt einziehen.
Von den Rucksäcken entlastet machen wir uns nun auf zur Kathedrale. Sie ist überaus eindrücklich. Natürlich machen wir das ganze Pilgerzeremoniell mit: wir steigen hinter den Altar hinauf, um Jakobus zu berühren, in die Krypta hinunter, um sein „Grab“ zu sehen, und morgen werden wir um 12.00 Uhr an der täglichen Pilgermesse teilnehmen, wo das grosse Weihrauchfass geschwenkt wird und jeden bewusstlos schlägt, den es erwischt.
Das Pórtico de la Gloria ist das am reichsten geschmückte Portal. Der auferstandene Christus thront in der Mitte des mittleren Tympanons umgeben von den vier Evangelisten, Engeln mit Passionselementen und den Gerechten. Im Bogen selbst sitzen die 24 Aeltesten der Apokalypse. Ueber den Pfeilern stehen links vier Propheten und rechts vier Apostel, zum Teil lächelnd und wie wenn sie sich angeregt unterhalten würden.
Vlnr: Jeremias, Daniel, Isaias und Moses /
from left to right: Jeremiah, Daniel, Isaiah & Moses
Wie überall fehlt auch hier das humoristische Element nicht. Hinter dem einen Mittelpfeiler kniet, zur Kirche hin gerichtet, Maestro Mateo, der Erbauer der Kathedrale, der sich im Paradies dargestellt haben soll. Als Strafe muss er nun am Pfeiler knien und immerdar seine Arbeit ansehen.
Auch der Kreuzgang ist imposant, obwohl wir inzwischen bestimmt noch schönere gesehen haben, dies sowohl in Frankreich als auch in Spanien.
Da unsere beiden Führer eine solche Menge an Sehenswürdigkeiten aufführen, dass wir eine Auswahl treffen müssen, fragen wir in der Touristeninformation nach, damit wir unseren morgigen Tag organisieren können.
Wir sind hiermit also glücklich und auch etwas stolz in genau zwölf Wochen an unserem Ziel angelangt. Doch was nun?
NOTA BENE:Vielen herzlichen Dank für all Eure lieben Mails mit den Ermutigungen, dem Mitfreuen und Mitleiden, den Rückmeldungen und Kommentaren. Und natürlich auch herzlichsten Dank für alle Glückwünsche zu meinem Geburtstag.
Alle, welche die Blog-Adresse über sieben Ecken erhalten haben und uns doch begleitet haben, möchte ich bitten, sich zu melden (labarre@bluewin.ch).
Falls wir morgen abend noch in Santiago sind, kann es gut sein, dass wir noch etwas weiter bloggen, sonst sind wir halt dann schon in der anderen Richtung unterwegs.
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We have arrived in Santiago! This morning, we covered the remaining 20 kilometres from Pedrouzo in just four hours. We left the hotel at 8.45 in fine, but overcast conditions. The sun soon came out, so that it was warm for most of the way, which involved a number of ascents and descents (as is usual for the Camino).
We arrived in Santiago at about 12.45 and were fortunate to find the pilgrims’ information office at a time when we did not have to queue for too long. Here we received our ‘Compostelas’ (certificates) and were directed to a centrally situated hotel. We were able to check into the hotel very early, so that we then had a good part of the afternoon for sightseeing.
In fact, we spent most of our afternoon in and around the Cathedral, the reliquary of the body of the apostle St. James. The cathedral itself with its famous portal and tympanum, the cloisters and the cathedral museum are all very remarkable. Here is not the place to repeat information that can be better found in other sources, suffice it to say that Santiago Cathedral is extremely impressive.
Kathedrale / Cathedral
We should have some time tomorrow to visit other important monuments in the city.
Now is too early to sum up the impressions. We have experienced so much in the last weeks that time is needed to digest it all. But just a few statistics:
According to my tally, we covered a total of 2’258 kilometres (1’404 miles) in the 84 days (i.e. 12 weeks) that we have been travelling. This corresponds to an average of 26.88 kilometres (16.71 miles) per day. In this time, we have each taken approximately 2.8 million paces.
During the whole trip, we have been extremely fortunate with the weather – particularly after speaking to fellow-pilgrims who relate tales of having three or four weeks of uninterrupted rain.
We are both happy to have reached our destination, all the more because the whole journey went without serious mishap and we are both feeling very well – even if the legs are now a bit tired. A repeat performance is not planned in the near future!
Note that, depending on where we are tomorrow evening, we may or may not be able to continue this blog.