Was uns beim Frühstück sofort ins Auge fällt, ist der Teller. Offensichtlich haben wir die Frühstückskulturwüste Frankreich wirklich hinter uns gelassen. Dort hatten wir nämlich nur in einem oder zwei Hotels oder Gîtes Teller bekommen, so in Cahors; meistens wird einfach ein Chacheli hingestellt, ohne Untertasse, sodass man das Brot in der Luft oder auf dem unsäglichen speckigen Wachstuchtischtuch bebuttern muss (auf dem manchmal noch die Reste des Abendessens liegen/kleben). Wann immer ich um einen Teller gebeten habe, wurde mir bedeutet, die Franzosen seien eben unkompliziert und ich tue schon etwas komisch.
Bei Tagesanbruch verlassen wir das Dorf, an dessen Strasse beidseits ein kleines Bächlein fliesst, das ebenfalls das Dachwasser der Häuser aufnimmt. Die Häuser sind mit kleinen Stegen darüber erreichbar.
Das Wetter ist klar, als wir bald nach der Kirche aufs Land hinaus abzweigen, vorbei an Ställen mit muhenden Kühen, während jene auf den Weiden zufrieden im Gras liegen. Von Zeit zu Zeit drehen wir uns um, in der Hoffnung, einen Blick auf die Pyrenäen zu haben. Aber Richtung Roncesvalles liegt immer noch Nebel.
Der Weg führt an die Furten mehrerer Bächlein, aber sicherheitshalber ist daneben jeweils eine Steinbrücke angebracht. Je nach Wasserstand benützen wir die Furt oder die Brücke. Wir retten einem Riesenwurm das Leben. Schon in Frankreich waren mir die grossen Wurmhügel aufgefallen, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass es solch grosse Würmer gibt. Aber einer hat sich auf den festgetretenen Lehmweg verirrt, wo er keine Ueberlebenschance hat. Er misst mindestens 30 cm und hat einen Durchmesser von etwa 1 cm.
Im Dorf Viscarret machen wir den Umweg zur geschlossenen Kirche hinauf und kaufen wir etwas ein, aber die Bäckerei hat kein Roggenbrot.
Wir überqueren drei kleinere Pässe (nach den Pyrenäen mit links) und steigen meistens im Schatten hinauf und hinunter. Vielfach auf diesem extrem dünngeschichteten Fels, von dem bei jedem Auftritt ein Stückchen abbricht. Er steht und liegt in jedem erdenklichen Winkel auf dem Weg. Aber wir treten auch auf solideren nackten Fels. Besonders der Abstieg nach Zubiri ist ganz nach meinem Sinn. Robin nennt diese Abschnitte meine „mountain goat descents“. Mit zwei gesunden Füssen machen sie allerdings noch mehr Spass.
Der Abstecher nach Zubiri lohnt sich, obwohl ich beim Erreichen der schönen alten Brücke noch die Ohren mit den Händen bedecke, wegen der Böllerschüsse, die anlässlich der Hochzeit, die in Kürze in der Kirche geplant ist. Als wir die Kirche betreten, wird eben das Ave Maria von einer Solistin mit Musikbegleitung gesungen. Wir sind hingerissen von ihrer schönen Stimme, die in der kleinen Kirche gut zur Geltung kommt. Sobald die ersten Gäste hereinströmen, verlassen wir die Kirche und überqueren die mittelalterliche Brücke, um unseren Weg fortzusetzen.
Eine steinverarbeitende Fabrik hat ihr Tagbaugelände zwischen Nationalstrasse und Jakobsweg. Es sieht so aus, als ob irgendein Mineral herausgeschwemmt würde. Wir werden über die Werkpiste geleitet, die in der Sonne glänzt und glitzert, wie wenn tausend Spiegel in kleinste Scherben zerbrochen worden wären. Aber das Werkgelände ist kein schöner Anblick.
Vorbei an einigen Weilern mit wunderschönen alten Häusern, über deren Portal vielfach in Stein gemeisselt steht, wer es wann erbaut hat, erreichen wir Zurláin, wo schon wieder eine schöne alte Brücke über den Rio Arga führt. Hier verlassen wir den Schatten und klettern eine weitere Bergflanke hinauf, um schliesslich Trinidad de Arre zu erreichen. Neben der mittelalterlichen Brücke mit ihren sechs Bögen über den Ulzama, erreichen wir die Dreifaltigkeitsbasilika in Arre, auch sie geschlossen. Arre geht übergangslos in Villava (9516 Einwohner) über. Hier haben wir ein Zimmer in der Pension Obelix reserviert, es gilt nur noch, sie zu finden.
Beim Polizeihauptquartier kommt uns eine freundliche Dame im besten Alter entgegen, die ich nach der Strasse frage. Sie sagt, sie müsse sowieso in die Richtung und werde sie uns zeigen. Dann entnimmt sie ihrer Tasche zwei Glacés, die sie uns geradezu aufdrängt. Nach 35 km zu Fuss sind sie absolut himmlisch! Auf meine Fragen hin stellt sich heraus, dass sie Sor Joaquina ist, aber die Tracht seit wenigen Jahren nicht mehr trägt, seit sie von den Kanarischen Inseln hieher gekommen ist. Sie bemüht sich sehr um uns und, verschwitzt wie wir sind, insistiert sie, uns zum Abschied zu umarmen. Nun weiss ich, wie Engel aussehen.
In Befolgung der modernen Theorie (oder ist sie auch schon wieder überholt?), dass verstauchte Gelenke viel bewegt werden sollen, haben wir uns für heute eine etwas längere Etappe vorgenommen, die wir aber ziemlich locker geschafft haben, auch wenn uns am Schluss die Hitze doch etwas zugesetzt hat.
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After our two easy days, today we put in a record-breaking stage of 35 km in just under nine hours.
We left our hotel at just after 7.30 this morning. The weather was cool and clear (but there was mist over the Pyrenees). The day soon warmed up and was quite hot in the afternoon, so that we were glad that we had a reasonable amount of shade while walking.
After taking an agreeable path through pasture land and woodlands, we skirted the village of Espinal and continued along forest paths to Viscarret. Here we visited the 13th century Romanesque church of St. Peter (closed) and made some purchases the village shop. Shortly after Viscarret, a long climb through woods began up to the Alto de Erro.
The long descent from the Erro heights down to the town of Zubiri took us past the Venta del Puerto (Inn of the pass), which is now partly in ruins and used as a cowshed.
In Zubiri, we crossed (by mistake) the river Arga by a great two-arched Gothic bridge, the ‘Bridge of Rabies’. The bridge was named after the traditional local ritual of driving livestock three times round the central pillar to rid them of the disease. This power to ward off illness is attributed to the relics of St. Quiteria, which are buried in the abutment of the bridge. The mistake of crossing the bridge was in fact quite fortunate. We entered the church of San Esteban just at the right moment to hear ‘Ave Maria’ being sung by a lady singer with a really superb voice, to the accompaniment of a group of musicians. In the small church, it just sounded magnificent.
From Zubiri, we more or less followed the river Arga to Huarte (already the suburbs of Pamplona), bypassing the town of Larrasoaña, but passing through a few small villages and hamlets. These villages are very attractive, most of the houses being in an excellent state and looking very similar to the Basque houses north of the Pyrenees that we admired so much. By this time, the sun was shining in full force. In spite of many of the paths being well shaded, this part of the trek was quite arduous.
From Huarte, we skirted the mountain Miravelles to cross into the valley of the Ulzama. We crossed this river via the medieval bridge in La Trinidad de Arre, with its six depressed arches, to arrive in Villava, a suburb of Pamplona.

La Trinidad de Arre
We were guided by a very kind old lady to the street in which the ‘Pension Obelix’, our accommodation for the night, is located. She (who had clearly been sent to help us by our guardian angel) even gave us an ice cream each. Such kind people! We arrived at our destination for the day shortly before 16.30.
The 35 km that we covered today were practically exclusively along paths. We probably covered less than 1 km on roads. These paths were mostly very agreeable and were well signposted. We were however fortunate that the weather was dry; some of the paths, particularly the descent from Alto Erro to Zubiri would be tricky, if not treacherous, in wet conditions.
Our first full day in Spain was arduous, but agreeable!