Die Freiwilligen des Accueil du Pèlerin haben uns gestern die Messe in der Kathedrale mit der anschliessenden Segnung und Verabschiedung der Pilger so sehr ans Herz gelegt, dass wir denn heute nach dem Frühstück bereits um 7.00 Uhr in der Kathedrale der Messe beiwohnen, die vom Bischof von Le Puy persönlich mit einem Priester der Elfenbeinkünste gefeiert wird, der mit 53 seiner Strassburger Schäfchen auf dem Heimweg von Lourdes ist. Die Gesänge werden von einer Sœur de St-Jean mit einer engelgleichen Stimme gesungen. Zur Segnung werden die Pilger vor die Jakobusstatue auf der rechten Seite des Schiffes gebeten, und der Bischof fragt jeden einzelnen von uns, woher wir kommen, und wechselt einige sehr persönliche Worte mit uns, bevor er uns allen den Segen für den weiteren Weg erteilt.
Pilgersegen / Blessing the pilgrims
So verlassen wir unser ehemaliges Pensionat erst um etwa 8.30 Uhr und finden unseren Weg durch die schmalen verwinkelten Gässchen der Altstadt. Wie schon gestern gehen wir die rue Raphaël hinunter, an der viele Spitzenläden liegen, ist doch Le Puy das Zentrum des Klöppelns. Tagsüber klöppeln vor den Läden Frauen und Männer, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu erwecken. Auf dem Weg findet zudem der übliche Samstagsmarkt statt, so dass wir uns dort noch mit Früchten eindecken können. Nachher folgen wir der rue St-Jacques gegen Westen und kommen erstaunlich schnell ins Grüne. Da wir auch stetig ansteigen, drehen wir uns von Zeit zu Zeit um, damit wir den Abschied von der schönen Aussicht auf diese beeindruckende Stadt mit der sie überragenden Marienstatue und ihre Umgebung (le Velay volcanique) noch etwas herauszögern können.
Zwischen Hecken wandern wir in kühler Luft aber an der Sonne zwischen Weiden dahin, immer sacht ansteigend. Vor uns sehen wir sechs „Coquillards“, hinter uns bemerken wir auch noch einige. Viele Leute kommen jeweils am Wochenende nach Le Puy, um den Camino von hier aus – einem traditionellen Ausgangspunkt in Frankreich – in Angriff zu nehmen.
An einer Weggabelung erwartet uns ein Wandersmann, der uns überzeugt, eine kürzere, weniger steile, mehr dem historischen Weg entsprechende Route einzuschlagen. Er zeichnet mir die Route sogar auf der Karte ein, damit nichts schief gehen kann. Ein Stück weit begleitet er uns, zeigt uns ein halb verrottetes Linsenfeld (Le Puy ist scheint’s bekannt für seine grünen Linsen). Das Pech wollte es, dass es im Frühjahr zu lange trocken war und anschliessend viel zu nass.
Im Dorf Bains besuchen wir die Kirche aus dem 12. Jahrhundert mit schönen Fresken und einem wuchtigen Bogen über der Eingangstür. Sie ist blumengeschmückt für die Hochzeit von Béatrice und Hervé. Nach Bains beginnt die Steigung anzuziehen, aber immer noch in einem durchaus angenehmen Rahmen. Wir lassen einen Weiler rechts liegen, sehen jedoch trotzdem, dass seine Häuser aus praktisch schwarzen Steinen gebaut sind, nur die Ecksteine und die Fensterlaibungen sind in rotem Stein gehalten.
Nun wird die Landschaft etwas wilder. Es gibt zwar weiterhin Getreide- und Linsenfelder, aber wir passieren auch einen Lavastrom (dass er in der Zwischenzeit erkaltet ist, muss ich ja eigentlich nicht extra sagen) und einen eigenartigen Steinbruch, in welchem Schiessübungen abgehalten werden. Eigenartig finde ich ihn, weil die Steine ganz verschiedene Farben und Oberflächen haben. Der hellbeige Stein ist ganz flach, wie erodiert, während der rote Stein spitzige Kanten aufweist.
Wir sind erstaunt, dass wir selbst im Wald nur relativ sanft ansteigen, sollen wir doch den auf 1206 müM liegenden Lac de l’Œuf erreichen. Dieser See ist ein Torffeld, das in Eiform zwischen zwei Vulkanen liegt. Hier ist auch eine kleine Ebene, auf der wir für einmal in der Sonne (sonst bevorzugen wir immer Schatten) eine kleine Rast halten, um den weiteren Verlauf des Tages zu planen. Da momentan so viele Pilger unterwegs sind, scheint es uns ratsam, früh damit zu beginnen. Und wirklich, da im weiter entfernten Monistrol-d’Allier nichts mehr verfügbar ist, reserviere ich ein Zimmer in der Vieille Auberge in St-Privat-d’Allier, das nur noch 4,5 km entfernt ist.
Sobald wir aus dem Wald kommen, eröffnet sich uns ein weiter Ausblick gegen Westen über niedrige bewaldete Hügel, zwischen denen nur wenig helleres Grün sichtbar ist. Der Abstieg gestaltet sich so angenehm wie der Aufstieg: zwischen Linsen-, Getreide- und Kleefeldern, die durch Hecken vom Weg getrennt sind. In den Hecken wachsen riesige Waldweiseröschen, die mich heute ganz besonders an Norwegen erinnern.
Nun gelangen wir in den Weiler Chier (quel nom!), wo die Häuser aus ausschliesslich schwarzen Steinen errichtet sind, und entsprechend sehen auch die kleinsten wie Trutzburgen aus.
Im Führer steht etwas von einem steinigen Pfad, den es einzuschlagen gelte. Dieser stellt sich aber als äusserst schön heraus: über grosse Felsbrocken und Wurzeln auf angenehm weichem Waldboden. Wir tänzeln richtiggehend hinunter, währenddem ein anderes Paar mit den Stöcken krampfhaft Halt sucht.
So erreichen wir früh am Nachmittag unser Ziel und ich benutze die Gelegenheit, die hiesige Kirche zu besuchen, deren Chor aus dem 12. Jahrhundert stammt und die in dunkelrotem Stein gebaut ist. Kaum bin ich draussen, kommt eine Hochzeitsgesellschaft aus Lyon an. Den Kleidern nach zu schliessen, sind jedoch weder die Braut noch der Bräutigam dabei, doch dann verstehe ich: die Braut trägt ein leichtes weisses Sommerröckchen und schwarze Strümpfe.
Auch hier sind die Strassen, wie auch schon in St-Julien-Chapteuil, sowohl in französisch als auch im lokalen Dialekt angeschrieben. Ob es die Langue d’Oc ist?
_____________
Today was an exceptional day, in many respects.
After an early breakfast, we went to the cathedral at 7.00 to participate in a mass for pilgrims.
The mass was conducted by the bishop of Le Puy in a most human, friendly and sympathetic way. His sermon was such that I had to restrain myself from applauding. Even non-Catholics such as myself were involved in the mass, which I found particularly sympathetic.
After the mass, instead of our leaving the cathedral directly, the pilgrim congregation (of about 50, I would guess) was gathered for a direct contact with the bishop in which he exchanged a word with practically each of us. Afterwards, we sung a pilgrims’ psalm together.
Although my motivations for making the pilgrimage to Santiago de Compostela are not of a religious nature, the participation in this mass was particularly moving. It was a good reminder of the deeper significance of the undertaking.
We then set of from our pilgrims’ hostel at about 8.30 in sunny, but cool weather. Since we needed to stock up on provisions for the way. a visit was made to the market before we actually left Le Puy.
The Place Plot, the square in which the Saturday market is held, is the official start of the Via Podiensis, the Camino from Le Puy. It is from here that the first pilgrims started their journey to Santiago de Compostella in the 10th century.
After a steep climb away from the town, which was rewarded with magnificent views over Le Puy and of the surrounding countryside of the Velay with its pronounced volcanic rock formations and mountains, we reached a more or less flat plain. It was very noticeable that our days were over of our seeing only one or two fellow pilgrims on the way. At one point there must have been six or eight visible in front of us and two or three behind.
We were just approaching a junction in the path near La Roche, when we were addressed by a Frenchman. He indicated to us that there was a better way to take than that signposted. The way that he showed Annette on the map is:
- shorter (by some 2 km),
- less hilly,
- has a better surface than the signposted path, and
- follows the historical path of the Camino,
i.e., only advantages!
According to this Frenchman (and we have no reason to doubt him), the path is signposted by the longer, hillier and less agreeable route so that it passes two gîtes and two bars that would otherwise not have any business, being so close to Le Puy.
In previous reports, I have spoken of ‘our guardian angel’ and Annette has maintained that St. James has been taking care of us, but the way in which this Frenchman approached us was exactly as if he had been waiting just for us.
This better route did not absolve us from climbing up to the 4’000 ft high Lac de l’Oeuf. The Lac de l’Oeuf is a lake (it is in fact more like a peat bog than a lake) formed in an egg-shaped depression between two volcanoes. The climb was however quite agreeable, being largely along wooded paths with gentle gradients.
Having climbed up the highest point on our day’s route, we decided to try to arrange a bed for the night, even if it was relatively early. Even if there is no particular scarcity of places to stay, the number of pilgrims en route can make finding overnight accommodation problematical. In fact, we were more or less obliged to take a room a little sooner than we would have otherwise liked and to spend the night in the small town of Saint-Privat-d'Allier.
On the descent towards Saint-Privat-d'Allier, we passed many lentil fields. Apart from its association with the pilgrimage to Santiago, Le Puy is famous for lace, a liqueur made from verbena and green lentils. I have thus filled a gap in my education, and now know where lentils grow and what the plant looks like.
We arrived at our hotel in Saint-Privat-d'Allier at about 15.00, after having covered 21 km.